Externe Experten in Politik und Wirtschaft by Felix Selgert

Externe Experten in Politik und Wirtschaft by Felix Selgert

Autor:Felix Selgert
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter De Gruyter GmbH
veröffentlicht: 1989-07-15T00:00:00+00:00


III. Die IHKn als externe Experten im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung

Mit dem Einigungsvertrag wurde ein Großteil des bundesdeutschen Verwaltungsrechts sowie der dazugehörigen Verfahrensbestimmungen auf die entstehenden neuen Länder übertragen.682 Dies galt auch für das Städtebaurecht, das bau- und raumplanungsrechtliche Normen umfasste und dazu dienen sollte, städtebauliche Fehlentwicklungen zu verhindern.683 Das Städtebaurecht hatte zunächst allerdings provisorischen Charakter, vor allem, da es an landesgesetzlichen Bestimmungen fehlte, insbesondere an Landesentwicklungsplänen, die raumordnungspolitische Ziele definierten.684 Da diese Voraussetzung zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung noch nicht gegeben war, sollte sich die kommunale Bautätigkeit gemäß dem Einigungsvertrag an den allgemeinen Grundsätzen des Raumordnungsgesetzes des Bundes (ROG) orientieren. Für Städte und Gemeinden schrieb das Baugesetzbuch (BauGB) die Bauleitplanung als Planungsinstrument vor. Als Genehmigungsbehörden fungierten untere Bauaufsichtsämter, die Teil der Kreisverwaltungen waren.685

Kommunen, die Baugebiete planten, waren im Rahmen der Bauleitplanung verpflichtet, Träger öffentlicher Belange zu beteiligen, die von den Folgen etwaiger Ansiedlungen betroffen waren.686 Die Aufgabe, gesamtwirtschaftliche Interessen aufzuzeigen, kam im bundesdeutschen Verwaltungsgefüge den IHKn zu. Als die deutsche Einheit am 3.Oktober 1990 in Kraft trat, existierten in Ostdeutschland bereits vierzehn IHKn, die sich mit Blick auf ihr Aufgabenverständnis eng an den westdeutschen Kammern orientierten und auch dem Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT), dem Dachverband der Kammern, schon beigetreten waren.687 Die Entstehung der ostdeutschen Kammern ging auf das Engagement von Gewerbetreibenden zurück, die im Herbst 1989 nicht nur gegen Fehlentwicklungen der sozialistischen Planwirtschaft protestiert hatten, sondern dies auch mit einer Kritik am bevormundenden SED-Regime und am Kammersystem der DDR verbanden.688 Die ostdeutschen IHKn entstanden parallel zur Einführung der Gewerbefreiheit sowie der Wiederherstellung der kommunalen Selbstverwaltung in der DDR. Vor diesem Hintergrund besaßen die IHKn – im Rahmen einer integrativen Grundausrichtung – eine relative Nähe zu den Problemlagen ostdeutscher Kleinunternehmer.

Die Wiedervereinigung konfrontierte die IHKn schlagartig mit hohen Anforderungen. Die Territorialplanung der DDR war mit dem bundesdeutschen Planungsrecht kaum vergleichbar gewesen.689 Allerdings erhielten die ostdeutschen Kammern frühzeitig umfassende personelle und ideelle Unterstützung, um sich zu professionalisieren und der ihnen zugedachten Rolle gerecht werden zu können. Der Kenntnistransfer erfolgte zum einen über Qualifikationsmaßnahmen, die der DIHT für die Mitarbeiter in ostdeutschen IHKn organisierte.690 Zum anderen übernahmen Kammern aus der alten Bundesrepublik sogenannte Patenschaften für ihre ostdeutschen Pendants. In diesem Rahmen sensibilisierten westdeutsche Experten ihre ostdeutschen Partner früh dafür, dass aus einer zu umfangreichen Ausweisung von Handelsflächen zukünftige Probleme für die räumliche Entwicklung erwachsen könnten. Da die Kenntnis des grundlegenden Verfahrens, der kommunalen Bauleitplanung, generell kaum vorhanden war, wurde sogar ein Leitfaden entwickelt, der sich an Anwender aus unterschiedlichen Behörden wandte.691 Mit Blick auf den darauffolgenden Ausbau großflächiger Handelsstandorte wirft dies die Frage auf, warum das Steuerungsverfahren in Form gesetzlicher Bauvorschriften sowie Schulungen im entsprechenden Anwendungswissen nicht genügten, um die Handelstransformation besser zu steuern und gesamtgewerbliche beziehungsweise standortpolitische Erwägungen stärker zur Geltung zu bringen.

Ein Defizit an fachlicher Expertise erscheint als durchaus plausible Erklärung, da die kommunalen Gebietsstrukturen in Ostdeutschland sehr kleinteilig waren692: Auf vierzehn IHKn kamen 7653 Gemeinden in 189 Landkreisen beziehungsweise 27 kreisfreien Städten. Bis 1994 hatten 80 Prozent der ostdeutschen Gemeinden weniger als 5000 Einwohner, knapp 40 Prozent sogar unter 500.693



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